Die neue Alternative: WG statt Heim oder Wohnung allein
Am 3. November 2007 eröffnete die Seniorenhilfe SMMP die erste ambulant betreute Seniorenwohngemeinschaft in Oelde. Heute, zehn Jahre, später betreibt sie sechs Senioren-WGs. Sieben weitere werden gerade gebaut.
Seit den sechziger Jahren heißen in Deutschland Wohnungen mit vielen Nachnamen am Briefkasten WG, Wohn-Gemeinschaft.
Oft fremde Menschen ziehen zusammen und wohnen gemeinsam. Auch wenn es Wohngemeinschaften schon lange gegeben hat, besonders viele nach dem Krieg, wo sich Millionen Menschen notgedrungen zusammen einrichten mussten, war die WG damals neu. Eine WG bewohnte man nicht nur, man lebte da unter Protest. Sie war ein Gegenprogramm zum braven Elternhaus und zumindest theoretisch auch zur Liebe zu zweit.
Inzwischen sind es die Enkel der WG-Rebellion, die sich Bad, Küche und Kühlschrank teilen. Die meisten von ihnen haben praktische Gründe für diese Art zu wohnen, ihr Konzept ist eher ein Sparprogramm. Über alternative Wohnformen denken heute vor allem Senioren nach, die im Alter nicht allein sein wollen.
Die Idee für die erste Senioren-WG im Kreis Warendorf, die am 3. November 2007 eröffnete, war aus diesem Nachdenken über das Leben im Alter entstanden. In den Beratungsgesprächen ändern sich die Themen. Wir sprechen mit den Senioren und den Angehörigen nicht mehr nur über Pflege, wir reden über das Leben mit Pflege.
Die Lebenserwartung steigt, viele Ältere können heute damit rechnen, sehr alt zu werden. Immer mehr von ihnen beginnen sich zu fragen: Was fange ich an mit dieser gewonnenen Zeit, mit der so genannten dritten Lebensphase? Bei der Seniorenhilfe SMMP ist das ein heiß diskutiertes Thema. Wie müssen Angebote und Einrichtungen aussehen, um den Senioren gerecht zu werden?
Bisher hörte die Lebensplanung da auf, wo die alterstypischen Probleme und Gebrechen beginnen. Wenn Pflege nötig wird, dachten viele, dann ist auch nicht mehr viel vom Leben zu erwarten. Es ist gut, dass sich das ändert.
Einerseits wollen die Senioren mehr aus ihren alten Tagen machen und andererseits sei auch die Pflege sehr viel anspruchsvoller geworden. Bei uns wird mehr gelebt als versorgt und betüttelt.
Die Senioren, die in den nächsten Jahren Pflege brauchen, kommen aus den Aufbaugenerationen. Sie haben lernen müssen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie haben nach dem Krieg ein Wirtschaftswunder zustande gebracht. Sie sind es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen, und sehen gar nicht ein, warum sie im Alter damit aufhören sollten.
An diese Senioren und ihre Angehörigen, die ihr Leben trotz aller Einschränkungen und Probleme, die das Alter mit sich bringt, aktiv gestalten wollen, wenden sich alle Wohnge-meinschaft der Seniorenhilfe SMMP.
Sie sind in zweifacher Hinsicht eine Alternative: zur eigenen Wohnung und zum Pflegeheim. Wer sich allein in den eigenen vier Wänden nicht mehr wohl und sicher fühlt, aber auch das Rundum-Sorglos-Paket im Heim nicht möchte, der ist hier genau richtig.
Geleitet werden alle Wohngemeinschaften von einer Pflegefachkraft, die insbesondere im Umgang mit demenziell Erkrankten über große Erfahrung verfügt. Je zwölf Senioren leben zusammen. Jeder von ihnen mietet ein Zimmer. Die großzügige Wohnküche und auch den Garten nutzen alle zusammen. Im Unterschied zu den WGs der jungen Leute hat aber jeder sein eigenes Bad. Darin ähnelt die Wohngemeinschaft eher einer Pension. Das Zusammenleben ist auf Wohnen in Gemeinschaft angelegt. Die Bewohner verbringen viel Zeit zusammen. Auch wenn jeder sein eigenes Maß hat, wie viel Gesellschaft er braucht und mag. Hinter der eigenen Tür beginnt das eigene Reich.
„Ambulant betreut“ bedeutet, dass regelmäßig ein Pflegedienst ins Haus kommt. Die Senioren werden je nach Bedarf und Pflegestufe in ihren Zimmern besucht und behandelt.
Wir wollen nicht, dass die Pflege das Leben prägt. Es ist keine Pflege-, es ist eine Wohnge-meinschaft. Ständig sind nur die Alltagsbegleiterinnen in der WG. Sie assistieren, gehen zur Hand, leisten Gesellschaft – aber die Senioren und ihre Angehörigen sagen, wo es lang geht.
Mitarbeiter sind hier nach unserem Verständnis Gäste. Die Wohngemeinschaft ist ausdrücklich für Menschen mit Demenz offen. Wie weit aber kann es mit der Selbst-bestimmung her sein, wenn der Kopf, der bestimmen soll, sich selbst kaum noch kennt? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht.
Aber mit Demenz haben wir in den Heimen wie im ambulanten Dienst jahrelange Erfah-rung. Unsere Wohngemeinschaften profitieren davon. Sie gehören wie die anderen Einrichtungen zum Orden und arbeiten eng mit den Heimen für stationäre Pflege der Seniorenhilfe SMMP zusammen. Das ist einerseits pflegewissenschaftliches Konzept, berührt aber schließlich auch die Wurzeln, aus denen der Orden lebt. Von den Schwestern lernen wir den Respekt, der auch da Anteil nimmt, wo er nicht mehr alles versteht und erklären kann. Das SMMP-Zeichen mit dem Kreuz soll alten Menschen signalisieren, dass sie hier ein Zuhause finden. Einen guten Platz, um alt zu werden, der sicher ist, aber auch Zusammenhalt bietet, Gesellschaft und Inspiration.
Wie in jeder WG ist die Wohnküche das Zentrum, dort findet der Alltag statt. Es wird geredet, gegessen, gespielt und ferngesehen, Haushaltspflichten werden erledigt, die einen machen Kreuzworträtsel, andere Handarbeiten. Es gibt kein Programm, das eine Leitung festgelegt hätte. Was passiert, bestimmen die Mieter. Und ihre Angehörigen!
Die SMMP-Seniorenhilfe organisiert den Rahmen, der allen Beteiligten viel Spielraum lassen soll. Die Pflegeprofis von SMMP sorgen für ein offenes Haus. Die Wohngemeinschaft liegt nah am Zentrum von Oelde, ist durch Buslinien gut angeschlossen, ringsherum wächst eine neue Nachbarschaft mit Einfamilienhäusern. So ist die Wohngemeinschaft auch ein offenes Haus der Begegnung: Die Wohngemeinschaft sind schließlich die Mieter, die Angehörigen, Freunde, Nachbarn, Ehrenamtliche.