Kunst ist Genuss, Kunst stimuliert, Kunst ist sinnlich. Das gilt für jeden Menschen – auch für Menschen mit Demenz. Eine Demenz ist kein Grund, kulturelle Angebote nicht mehr wahrzunehmen. Diese Angebote müssen sich jedoch an die Bedürfnisse der Menschen anpassen. Neben der positiv stimulierenden Wirkung durch die Kunstwerke soll ein Museumsbesuch immer eine willkommene Abwechslung vom Alltag sein: ein Stück Lebensqualität.
Und so besuchten wir am 19.Februar mit dreizehn WG-Bewohnern und fünf Begleitpersonen die Kunsthalle in Bielefeld, um uns dort die Ausstellung „Kunst und Textil“ vom Bauhaus bis heute anzuschauen. Nach der Ankunft lernten sich die Teilnehmenden und Frau Lutterkort ( museumspädagogische Mitarbeiterin) bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen kennen und kamen miteinander ins Gespräch. Sie berichtete von den Anfängen des Bauhauses. Spätestens seit dieser Zeit haben textile Arbeiten ihren Status als rein handwerklich Kunstform verloren. Teppich und Wandbehänge wurden nicht nur als Produkt manuellen, sondern auch kognitivkonzeptuellen Gestaltens verstanden. Ab dem Jahre 1919 (auch ein Geburtsjahr eines anwesenden WG-Bewohners) wurden im Bauhaus Textilien entwickelt, zuerst von den Männern, später durften auch Frauen hier arbeiten. Es wurde viel experimentiert und produziert, aber immer mit künstlerischem Aspekt. Frau Lutterkort berichtete auch über den berühmten Bielefelder Leinen, der auch heute noch für sehr gute Qualität steht. Unseren WB-Bewohnern war er auch gut bekannt, war doch bei einigen die „Aussteuer“ aus Bielefelder Leinen.
Ein spezieller Fokus dieser Ausstellung waren die Arbeiten von der Bauhauskünstlerin Benita Koch-Otte, die zwanzig Jahre ihre Lebens als Leiterin der Weberei in den von Bodelschwinghschen Stiftungen in Bielefeld tätig war. Nun ging es weiter zu den von Frau Lutterkort ausgewählten Werken in den ersten Stock. Hierfür nahmen wir den Lastenaufzug in Beschlag. Oben angekommen, ging es vorbei an Stoffmustern und Entwürfen von Künstlerinnen des Bauhauses von Anni Albers, die eng mit Philip Johnson, dem Architekten der Kunsthalle Bielefeld, befreundet war. Besonders gut gefiel den WG-Bewohnern ein bunter Kindezimmerteppich , der die Farben und Formen des Bauhauses deutlich zeigte. Bei der weiteren Betrachtung verschiedener Werke hatten alle die Gelegenheit, eigene Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen zu formulieren, was auch lebhaft gemacht wurde.
Der letzte Teil des Besuches war der kreativen Arbeit gewidmet. Im Werkraum der Kunsthalle hatte Frau Lutterkort, passend zum Thema für jeden einen Webrahmen aus Pappe bereitgelegt, dazu viele, viele Stoffstreifen, Federn, Wolle, Perlen u.v.m. Mit Spaß und ohne Druck konnte jetzt jeder experimentieren. Es entstanden überraschende Kunstwerke, die im Anschluss jeder mit nach Hause nehmen konnte.
Zum Schluss stellten wir fest: In uns allen steckt ein kleiner Künstler!